Politpop von Groovty ist GEMA-frei – Kopieren und Aufführen erlaubt.

titel mit lila balken spintisieren vom geheimnis der existenz etc.

 

Hintergrundinformationen:
 
Marsch Wasserwerfer!  Die Augen – raus!
 
Dietrich Wagner, 66, Ingenieur im Ruhestand, versuchte bei der Stuttgart 21 Demonstration Jugendlichen zu helfen, die vom Wasserstrahl hinweggefegt worden waren. Deshalb hatte er die Arme hochgerissen und den Polizisten gewunken, um ihnen zu bedeuten, sie sollten aufhören. Dann traf ihn der Wasserstrahl direkt ins Gesicht – so massiv, dass der Rentner ohnmächtig wurde. „Es fühlte sich an wie der Schlag von einem Riesenboxer“ sagte er später. Auf einem Auge bleibt er blind, auf dem anderen Auge wird er nach zwei weiteren Operationen hoffentlich Menschen grob erkennen können.
 
Bei der Räumung des Schlossgartens für das Bahnprojekt Stuttgart 21 hatte die Polizei Wasserwerfer, Reizgas und Schlagstöcke eingesetzt. Im Katharinenhospital und in der Charlottenklinik für Augenheilkunde wurden danach 16 verletzte Demonstranten behandelt, vier von ihnen stationär.
Dazu schrieb Thomas Wüppesahl von der „Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und Polizisten (Hamburger Signal) e.V. in einer kaum veröffentlichten Pressemitteilung u.a.:
„...Die unmittelbare Verantwortung für diesen rechtswidrig durchgeführten Polizeieinsatz liegt bei der Politik der Stadt Stuttgart und (mehr noch) dem Innenministerium des .Landes Baden-Württemberg. (…)
Wasserwerfer gegen 15-jährige Schülerinnen, Theologinnen mit deren Betgruppe wegzuspülen, einen jungen Mann mit dem Wasserwerfer vom Baum zu schießen, einem Bürger mit dem Wasserwerfer ein Auge auszuschießen, Pfefferspray unter anderem auf große Distanz gegen Menschen einzusetzen, die auf Grund der großen Distanz und des lauten Umfeldes die dreimalige „Warnung“ (so sie überhaupt ausgesprochen worden ist!) vor Verwendung dieses Einsatzmittels gar nicht wahrnehmen konnten und so weiter und so fort...
„Stuttgart 21“ ist ein weiteres Beispiel für einen in viel zu weiten Teilen sich entkernenden Rechtsstaat. Die BürgerInnen in Ba-Wü vertrauten darauf, dass die Gremien, deren Mitglieder sie und ihre Interessen repräsentieren sollen, anständig arbeiten. (…)
 
Den Wenigsten ist klar, dass fast überall unsichtbare Stempel wie „BDI“ (Bundesverband der Deutschen Industrie), „Handwerkskammer“ oder irgendwelche Baufirmen draufstehen. Nach wie vor wird die international von der BRD ratifizierte Abgeordnetenbestechung nicht in nationales Recht umgesetzt. Warum denn wohl nicht?!?
 
Klar: Abgeordnete kann man kaufen, das Volk nicht. Und Abgeordnete wurden und
werden gekauft. (...)“
 
 
 
Oben bleiben mit dem Kopfbahnhof!
K21 - die Alternative zum blinden Fortschritt.
Bringt mehr, kostet weniger.
 
Kopfbahnhof 21 - das bessere Konzept
Jahrelang wurde behauptet, der Kopfbahnhof sei veraltet und dem Verkehr der Zukunft nicht mehr gewachsen. Die Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofs wurde bewusst nicht näher untersucht. Alle Verkehrsgutachten vergleichen Stuttgart 21 nur mit dem bestehenden Kopfbahnhof ohne Modernisierung. Nur so konnte Stuttgart 21 überhaupt als vorteilhaft dargestellt werden.

Kopfbahnhof
 
Die Alternative, das bessere Konzept ist der „Kopfbahnhof 21“.  Der bestehende Kopfbahnhof würde modernisiert und mit einer Neuordnung der Gleise würde bei gleichen Prämissen eine größere Leistungsfähigkeit erreicht als beim Durchgangsbahnhof.
Sowohl die Deutsche Bahn, das Eisenbahnbundesamt als auch das Verkehrswissenschaftliche Institut der Universität Stuttgart haben bestätigt, dass Kopfbahnhof 21 spielend in der Lage ist, den Verkehr der Zukunft zu bewältigen. Auch bei dieser Alternative stehen bisherige Bahnflächen dem Städtebau zur Verfügung.
Die Kosten für die Modernisierung des Kopfbahnhofs liegen deutlich unter
den Baukosten von Stuttgart 21.

Zwar müssen die bestehenden Anlagen saniert und erweitert werden, aber dafür entfällt der Neubau dreier Bahnhöfe – neben dem Tunnelbahnhof der S-Bahnhof Mittnachtstraße und die ICE-Filderbahnhof am Flughafen. Für K21 wird nur ein Drittel der Tunnelstrecken benötigt. Aus diesem Grund geht das Büro Vieregg&Rössler davon aus, dass K21 zu einem Viertel bis einem Drittel der Kosten von S21 gebaut werden kann.
Keine Strecke wird abgehängt
Schon heute verbinden täglich vier TGV-Zugpaare Stuttgart mit Paris.
Stuttgart 21 würde die Fahrzeit auf dieser Strecke um nur 1 Minute verkürzen!
Es verkehren täglich sieben ICE-Zugpaare direkt zwischen Stuttgart und Zürich. (Derzeit wegen anhaltender technischer Probleme durch IC-Garnituren ersetzt.)
Stuttgart 21 würde die Fahrzeit auf dieser Strecke um 5 Minuten verlängern!
Bei K 21 sollen die heute überlasteten Streckenabschnitte von Bad Cannstatt sowie von der Gäubahn und durch den Pragtunnel ausgebaut werden. Zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof würden zwei neue Gleise für den Regionalverkehr gebaut, die unter dem Rosensteinpark liegen. Dadurch könnten die Engpässe auf den Zulaufstrecken beseitigt werden. Zusätzlich sorgen neue Brückenbauwerke dafür, dass ein- und ausfahrende Züge sich nicht mehr gegenseitig behindern.
Messe und Flughafen werden angebunden.
Vom Flughafen führen direkte Linien zur Universität und zur Innenstadt, aber auch zum Neckarstadion und nach Bad Cannstatt. Es gibt nur einen Bahnhof am Flughafen. Das erleichtert das Umsteigen zwischen S-Bahn, Regionalverkehr und ICE. Von Ulm, aber auch von Tübingen und Böblingen kann der Flughafen ohne Umsteigen erreicht werden.
Die Neubaustrecke nach Ulm wird durch einen Tunnel von Obertürkheim bis Denkendorf erreicht. Diese Lösung ist einfacher und kostengünstiger als der zehn Kilometer lange Fildertunnel bei Stuttgart 21. Der Abschnitt zwischen Bad Cannstatt und Obertürkheim wird 6-gleisig auf dem vorhandenen Bahngelände ausgebaut.
 
Ein schnelleres Netz durch integralen Taktfahrplan (ITF)
Bei Kopfbahnhof 21 bleiben die 16 Gleise im Hauptbahnhof erhalten. Der Bahnhof kann so deutlich mehr Züge gleichzeitig aufnehmen als der Tunnelbahnhof mit seinen acht Gleisen. Dadurch können mehr Umsteigebeziehungen zwischen den Zügen hergestellt werden.
Der integrale Taktfahrplan, das Erfolgsrezept der Schweizer Bahnen für mehr Verkehr auf der Schiene, kann nur mit Kopfbahnhof 21 realisiert werden. Bei K21 können die Züge länger im Bahnhof verweilen, Verspätungen werden dadurch gemildert und Fahrgäste können bequemer ein- und aussteigen.
Nadelöhr: Bei Stuttgart 21 gibt es nur noch 8 Bahnsteiggleise statt bisher 16 beim Kopfbahnhof. Dies bedeutet, dass bei Stuttgart 21 die Züge nur noch 2 Minuten halten dürfen.
Anschlusszüge können auf verspätete Züge nicht mehr warten.

Der Hauptbahnhof bleibt erhalten
Wie am Nordflügel bereits zu sehen: Die Planung von Stuttgart 21 sieht unter anderem den Abriss der beiden Seitenflügel des Hauptbahnhofs vor. Die Fassadenlänge würde damit halbiert. Werden sie hingegen, wie bei K21, erhalten, bietet sich die einmalige Chance, an der Nahtstelle von Innenstadt und der heutigen Brachfläche hinter dem Bahnhof (A1), die auch mit dem modernisierten Kopfbahnhof bebaut werden kann, einen attraktiven kulturellen Schwerpunkt-Bau einer gläsernen Bahnsteighalle mit Tageslicht, Galerie-Dependancen, Cafés, Restaurants, Ausstellungsräume ... zu setzen und eine lebendige Urbanität zu schaffen. In dem nach §12 Landesdenkmalgesetz geschützten Kulturdenkmal schlummert ein ungeahntes Potential für unsere Stadt.
Bessere Öko-Bilanz bei Kopfbahnhof
Stuttgarts einzigartige Lage im Talkessel hat ihren Preis: Auch aufgrund der hohen Bevölkerungsdichte müssen die ökologischen Folgen ehrgeiziger Großprojekte stärker als andernorts geprüft und abgewogen werden. Um die Lebensqualität in der Stadt zu erhalten, muss entsprechend sensibel mit den natürlichen Schutzgütern umgegangen werden. Die bei Stuttgart 21 vorgesehene intensive Bebauung trägt zum Aufheizen des Stadtklimas bei und behindert den notwendigen Luftaustausch. Durch die vielen Tunnelbauten bei Stuttgart 21 (insgesamt fast 70 km) kommt es zu Grundwasserabsenkungen und zur Gefährdung der Mineralwasservorkommen. Die Tieferlegung der Bahnanlagen bedingt auch einen Verlust von wertvollen Biotopflächen und einen Kahlschlag im Stuttgarter Schlossgarten. Beim Alternativkonzept Kopfbahnhof 21 entfallen diese Eingriffe ganz oder treten nur in sehr geringem Umfang auf. Dies wird vom Regierungspräsidium Stuttgart, vom Eisenbahnbundesamt und vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigt.

Die Reisenden stehen im Mittelpunkt
Während bei S21 der Bahnhof unter der Erde versteckt wird und die Durchreisenden nach kilometerlanger Fahrt durch Tunnels von Stuttgart nur das Bild eines U-Bahnhofs zu sehen bekommen, empfängt K21 den Reisenden mit einer repräsentativen oberirdischen, lichtdurchfluteten Empfangshalle und großzügigen Bahnsteigen, die ebenerdig erreichbar sind.
K21 bietet eine bessere Zugänglichkeit durch ebenerdige Zugangs- und Umsteigemöglichkeiten und breitere Bahnsteige, während diese bei S21 empfindliche Engstellen aufweisen („Nadelöhr!“) und ein barrierefreier Zugang nur mit Aufzügen realisiert werden kann, die nur eine sehr begrenzte Transportkapazität haben. Dies ist besonders in Stuttgart wichtig, da hier ein großer Fahrgastwechsel stattfindet.
Auch der Umstieg auf andere Verkehrsmittel wird mit S21 schlechter. Während bei K21 der  zentrale Omnibusbahnhof erhalten wird, muss dieser mit S21 nach Vaihingen verlagert werden und auch die beliebte Vorfahrt am Nordeingang muss zumindest während der Bauzeit entfallen.
Für den Fahrgast ist es auch von Vorteil, wenn die Züge nicht wie bei S21 nur zwei Minuten (ICEs) bzw. nur eine Minute (Nahverkehrszüge) halten sondern mindestens 4 Minuten halten, so dass Reisende bequem aus- und einsteigen können. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, Züge am Bahnsteig bereitzustellen, was wegen der geringen Anzahl von nur noch 8 Gleisen bei S21 ohne Möglichkeit einer Bahnsteigwende dort in der Regel nicht möglich ist. Auch Sonderzüge oder Nachtzüge müssen immer im Betriebsbahnhof Untertürkheim beginnen und enden.
Durch die doppelte Anzahl an Bahnsteigen können bei K21 Anschlüsse besser abgewartet werden, da die Züge den nachfolgenden nicht im Weg stehen. Bei S21 werden dagegen bei Verspätungen kurzfristig Gleisverlegungen notwendig, was für die Fahrgäste hektisches Treppensteigen mit Gepäck zum Nachbargleis bedeutet.
Die Anbindung des Bahnhofs über unterirdische Zulaufstrecken ist störungsanfällig und die heute öfters praktizierte Umleitungsmöglichkeit der S-Bahn über Gäubahn nach Vaihingen ist dann nicht mehr möglich. Zudem entfallen die bei den Fahrgästen z. B. aus dem Strohgäu und aus Albstadt beliebten Direktverbindungen nach Stuttgart, da keine Dieselzüge in den Tiefbahnhof einfahren dürfen.
Schließlich empfindet der Reisende einen oberirdischen Bahnhof grundsätzlich als sicherer, als einen unterirdischen, weil dort bei Bränden, wie sie gelegentlich schon vorgekommen sind (siehe z. B. Trafobrand Hanau, TGV-Brand) der Rauch ungehindert nach oben abziehen kann, während im Tunnellabyrinth schnell alles verqualmt ist.
Mehr dazu:www.kopfbahnhof-21.de


 
Aufrecht gehen! Oben bleiben!
Aus Rede von Winfried Wolf am 3. September 2010  auf der Stuttgarter Demonstration
(...)
Es gibt in der bundesdeutschen Medienwelt ein Rätselraten darüber, was denn in Stuttgart abgeht, was in die Menschen hier gefahren sei. Warum im Ländle der Kehrwoche jetzt die Wochen-Demo am Montag und nun auch noch die Großdemo am Freitag so wichtig geworden sei. Ich finde, das hat alles herzlich wenig mit dem Menschenschlag und mit Mentalitäten zu tun.
Es geht doch schlicht und einfach um die Frage: WEM GEHÖRT DIE STADT.
Und um die verlogenen und zynischen Antworten, die wir auf diese berechtigte Frage bekommen.
(...)
Eigentlich ist hier die Frage „Wem gehört die Stadt“ leicht zu beantworten. „Demos“ heißt das Volk; „kratos“ die Herrschaft: Unser politisches System nennt sich Volksherrschaft oder gegebenenfalls Herrschaft der Mehrheit. Zwei Drittel in dieser Stadt sind gegen Stuttgart21. Die Mehrheit im Bundesland Baden-Württemberg ist gegen das Projekt. Das sind recht überschaubare Verhältnisse. Und sie werden von dieser Schuster-Drexler-Mappus-Show ja auch eingestanden. Warum bloß verweigern sie seit drei Jahren einen Bürgerentscheid zu dem Thema? Deutlicher kann man nicht dokumentieren, dass man demokratische Prinzipien mit den Füßen tritt.
(…) Grube, Ramsauer, Drexler, Schuster und Mappus argumentieren: Die Bevölkerung rafft es nicht. Unsere Argumente sind an sich ausgezeichnet., sie dringen bisher nur nicht ausreichend durch. Wir schaffen in Stuttgart den Anschluss an die Moderne. All die Lapptopper, die Handy-men, die Eurokraten und die Bürokraten, die täglich auf der Magistrale Paris -Stuttgart -Bratislava -Budapest pendeln, wollen in Zukunft partout per Eisenbahn und Maulwürfen gleich unter Stuttgart hindurchfahren und gegebenenfalls einen kurzen Blick durch Glupschaugen hoch auf den Daimler-Stern auf dem Bonatz-Bau werfen.
GEHT’s NOCH? Wir alle wissen: Das ist hanebüchen.
Sollte es Stuttgart21 je geben, dann werden keine zehn Leute am Tag von Paris über Stuttgart nach Budapest mit der Eisenbahn fahren. Doch es werden Tag für Tag viele Zehntausende sein, die hier vor Ort im S-Bahn- und im Nahverkehr Streß mit dem neuen Nadelöhr im Keller der Stadt haben.
Apropos gute Argumente:
Das gilt ja auch für die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm, ohne die S21 sinnlos wäre und wogegen wir gute und wofür die S21-Befürworter schlechte Argumente haben.
  • Ja, die Geislinger Steig´ ist steil. Doch die Neubaustrecke wird noch steiler – anstelle von 2,5 Prozent werden es 3,1 Prozent Steigung sein.

  • Ja,, 250 Meter Höhendifferenz, die bei der Fahrt über die Schwäbische Alb zu bewältigen sind, sind verdammt viel. Doch die Neubaustrecke will deutlich höher hinaus und eine Höhendifferenz von 450 Metern bewältigen. Das sind 80 Prozent mehr!
  • Ja, Güterzüge quälen sich auf der heutigen Strecke. Doch auf der Neubaustrecke kann es keine herkömmlichen Güterzüge mit 1500 Tonnen Gewicht und einer Lok mehr geben. Das ist dann schlicht nicht mehr zu bewältigten. Und um das zu vertuschen, haben die Befürworter von S21 einfach neue Züge, die sogenannten leichten Kaufmannszüge, erfunden. Züge die es nicht gibt und die es nicht geben kann, da der Trend in Richtung immer längerer und schwererer Güterzüge geht und da es ja eine andere Güterverkehrsroute Richtung München gibt, die über Donauwörth und Nördlingen.
Selbst die behauptete Zeitersparnis, die es bei der Neubaustrecke geben soll, ist manipuliert. 1995 dauerte die Zugfahrt zwischen Stuttgart und München – laut Fahrplan, wohlgemerkt – 121 Minuten. Heute sind es 144 Minuten oder 23 Minuten mehr. Das soll jetzt mit einer Neubaustrecke wieder hereingeholt und darüber hinaus die Strecke noch etwas verkürzt werden.
Das ist doch absurd. Da fragen wir doch die selbsternannten Freunde der Schiene: Warum habt ihr bloß die Infrastruktur 15 Jahre lang so verlottern lassen? Warum ist es nicht das allererste Anliegen, die bestehende Strecke wieder in Schuss zu bringen und dann durch kleinteilige, deutlich preiswertere Verbesserungen diese Verbindung zu ertüchtigen und meinetwegen auch noch um ein paar Minuten über den Stand von 1995 hinaus zeitlich zu verkürzen?
(…)
Wirtschaftlichkeit. Sind die Milliarden für S21 und Neubaustrecke gut investiertes Geld? Oder auch: Wer kann „d´Sach gut zammehalte“?

Tatsachen sind doch
  • Die Kosten für S21und die Neubaustrecke explodieren, noch bevor der Bau begonnen hat
  • Allein seit 2007 erhöhten sich die offiziellen Kosten für beide Projekte zusammen von 4,8 auf 7 Milliarden Euro.
  • Die jüngsten Einsparungen, mit denen S21 als wirtschaftlich schöngerechnet wird - also dünnere Tunnelwände, weniger Querstollen als Rettungsgänge, der Einsatz von 3900 Bauarbeitern aus Osteuropa, zusammengefasst in einer eigenen Containerstadt – sind extrem riskant und baurechtlich unter Umständen schlicht kriminell.
Es ist hier auch zu fragen: Für was, für welche Zwecke wird denn dieses Geld eingesetzt? Oder: Wie könnte das anderweitig sinnvoll eingesetzt werden? Aktuell werden diese Milliarden eingesetzt gegen die Fahrgäste, gegen den Schienenvekehr, gegen die Stadt, die verwüstet wird, mit erheblichen Gefahren für die Mineralquellen und die Bebauung – weswegen ja auch der wichtigste S21-Preisträger, Frei Otto, aus dem Projekt ausstieg und vor kaum beherrschbaren Gefahren warnt.
Nun wissen wir: Bei einer Realisierung unserer Alternativen würden Bund, Land und Stadt zwischen sechs und acht Milliarden Euro einsparen.
Ein Vergleich: Am 1. September beschloss das Kabinett Merkel-Westerwelle ein Sparpaket. Teil desselben sind 30 Milliarden Euro an Einsparungen bei den sozial Schwachen, bei Hartz-IV-Empfängern, bei allein erziehenden Müttern. Allein das genannte Einsparpotential bei S21 und der Neubaustrecke macht ein Fünftel bis ein Drittel des gesamten asozialen Spar-Wut-Volumens aus.
Es ist doch politisch aufschlussreich, wie beim Sparprogramm auf dem Rücken von Menschen, für die jeder Euro wichtig ist, gespart wird, während gleichzeitig Milliarden Euro dafür ausgegeben werden, dass Fahrgäste geschädigt, eine Stadt geschunden und ein Baudenkmal zerbaggert wird.

Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
Wenn es denn so ist,
  • dass wir die Mehrheit sind
  • dass wir die besseren Argumente haben
  • dass wir d´Sach zamme halte können
dann stellt sich doch die Frage: Warum bloß kann sich bisher diese Grube-Schuster-Drexler-Mappus-Show durchsetzen?
Natürlich fällt da einem die eine und andere Antwort ein. Da gibt es Leute, die wollen sich ein Denkmal setzen. Da gibt es Leute, die sind gekauft oder die kaufen sich ein.
Doch wir sollten auch eine große Linie im Auge behalten, die letzten Endes in erheblichem Maß all diese Pläne bestimmt. Es geht seit einem Dreivierteljahrhundert um das Ziel der autogerechten Stadt, der auf Auto und schnellen Kommerz zugerichteten Stadt. Es ist keine Stadt für die Menschen. Keine Stadt für unsere Kinder. Keine Stadt, in der Kultur, Lebensfreude und Erholung ihren Stellenwert, die großen Plätze, den öffentlichen Raum bestimmen.
Nein – PLATZ DA: Da wird Platz geraubt, werden Plätze und öffentlicher Raum zweckentfremdet für Straßen, für Banken, für Kommerz.
Es ist doch kein Zufall, dass von vier Bahnchefs drei, nämlich Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn und Rüdiger Grube aus dem Hause Daimler gestellt wurden. Dass sie alle drei das Projekt Stuttgart21 vorantrieben. Und dass es dann da einen Bahnchef namens Johannes Ludewig gab, der nicht so eng an ein Autoimperium angebunden war. Der ließ Stuttgart21 durchrechnen. Der stellte fest, dass sich das nicht rechnet. Der beschloss den Ausstieg aus dem Projekt. Und der war dann weg vom Bahnchef-Fenster. Der Autokanzler holte den nächsten Daimler-Mann, Mehdorn.

Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
lasst mich das mit der „großen Linie“, die hinter S21 steht, noch genauer belegen. Im Jahr 1993 erschien im Münchner Wochenmagazin „Focus“ - exakt in Heft 43/93 – ein Artikel mit der Überschrift: „Das Mega-Milliarden-Ding“. Es ging in dem Beitrag allein um die sogenannten 21er Projekte, mit denen Schienenverkehr unter die Erde verlegt werden sollte. Zum Auftakt des Artikels wurde ein Blick auf das „Vorbild USA“ und das „Beispiel New York“ geworfen. Es gab zwei Fotos im Stil von „vorher-nachher“. Das erste zeigte New York City in den 1920er Jahren. Ein Bild mit breit gefächerten Schienensträngen und einem imposanten Kopfbahnhof. Penn Central Station – der damals größte Bahnhof der Welt. Daneben ein Foto von derselben Stelle heute: dichte Bebauung; Hochhäuser. Im Text hieß es: „Die New Yorker (...) überbauten diese hässliche Gleisschneise samt Bahnhof mit Hochhäusern und Straßen.“ Dass in der Folge der Schienenverkehr in den USA und in New York auf weniger als ein Zehntel reduziert wurde, verschwieg „Focus“. Aber das Blatt war ehrlich genug, die grundsätzliche Stoßrichtung der 21er Projekte offen zu legen.
Dort hieß es: „Heinz Dürr, der Führer der zukünftigen Deutschen Bahn AG (...) gibt sich entschlossen, mit Bahnhöfen und Brachland gutes Geld zu verdienen. (...) Für das Geschäft mit Immobilien wird im Vorstand der neuen DB AG eigens ein neues Ressort geschaffen.“ Die gewissermaßen focussierte Bilanz: „Das 41.000 Kilometer lange Schienennetz ist als Immobilie pures Gold. Die Gleisschneisen der Städte können raffiniert umbaut werden.“
Darum und nur darum geht es: Um Immobilien-Deals. Um gewaltige Bauaufträge. Um die Privatisierung von Volksvermögen. Um die Zerstörung des klimaverträglichen Bahnverkehrs zugunsten des Straßen- und Luftverkehrs.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
uns wird in diesen Wochen und Tagen immer wieder gesagt, da sei doch alles eingetütet, es gebe eben „unumkehrbare Beschlüsse“. Das soll uns auch Tag für Tag eingehämmert, mit Bagger- und Brachialgewalt demonstriert werden.
Zunächst einmal gilt bereits rein formal: Bei Stuttgart21 und der Neubaustrecke wurden Beschlüsse wider Treu und Glauben gefasst. Es erfüllt den Tatbestand der Sittenwidrigkeit, wenn Entscheidungen zustande kommen, bei denen die Entscheider Gutachten nicht kennen, von einem Güterverkehr ausgehen, den es nicht geben kann und vom Ausstieg des wichtigsten Architekten aus dem Projekts - Frei Otto – und seinen Warnrufen nicht informiert wurden.
Es geht aber nicht primär um die juristische Seite. Es geht um Politik und um Grundsätze von Demokratie.
Das Atomkraftwerk in Whyl im Badischen war auch „unumkehrbar beschlossen“. Es wurde in den 1970er Jahren unter anderem von der bäuerlichen Bevölkerung vor Ort gestoppt.
Die Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf war „unumkehrbar beschlossen“ und bereits in Bau befindlich. Das Projekt wurde von den Menschen vor Ort und von einer breiten, bundesweiten und jahrelangen Bewegung gestoppt.
Der Schnelle Brüter in Kalkar war nicht nur „unumkehrbar beschlossen“. Der war sogar weitgehend fertig gebaut. Doch eine breite bundesweite Bewegung stoppte den Weiterbau und verhinderte die  Inbetriebnahme.
Und, liebe Bürgerinnen und Bürger, viele von uns wissen noch, was es am alten „Tag der deutschen Einheit“, am 17. Juni 1953 in der DDR gab.
(Zwischenrufe: „Einen Volksaufstand!“)
Ja, es gab Massendemos. Aber vorab gab es eine Normerhöhung, vor allem für die Bauarbeiter. Mehr Arbeit, weniger Geld. Dann gab es Streiks und Massendemonstrationen. Die wurden zum Teil blutig unterdrückt. ABER: Die Normerhöhung wurde zurückgenommen. Die in Berlin Herrschenden hatten Angst vor der demokratischen Macht der Menschen auf der Straße und auf den Baustellen. Und als das SED-Politbüro erklärte, die Streikenden hätten „das Vertrauen der Regierung“ verloren, sie müssten sich dieses „Vertrauen neu erarbeiten“, da schrieb ein aus Augsburg stammender, in Berlin lebender Mann namens Bert Brecht die berühmten Zeilen:
Wäre es da / Nicht doch einfacher, die Regierung / Löste das Volk auf und / Wählte ein anderes?
Das ist jetzt 57 Jahre her. Und brandaktuell. Uns erklärt dieser Tage das S21-Politbüro in Gestalt der Herren Grube, Schuster, Drexler, Mappus und Ramsauer: Das Volk versteht uns nicht. Wir haben Kommunikationsfehler gemacht. Wir werden die Vertrauensbasis wiederherstellen. Wir laden alle ein, an einem runden Tisch zusammenzukommen.
Dazu sagen wir: GEHT’s NOCH?
Wir haben nämlich gut verstanden. Wir sind mündige Bürgerinnen und Bürger. Wir sind selbstverständlich zu jeder Zeit gesprächsbereit – bei Einstellung des Abrisses und bei einer offenen Tagesordnung unter Einschluss der Punkte „Aus für S21“ und „Alternativen zu S21 – das Projekt K21 steht zur Debatte“.
 
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
ich wiederhole am Schluss was ich eingangs sagte:
Was in Stuttgart passiert ist beispielhaft für das ganze Land. Das schafft sehr vielen Menschen neuen Mut, sich selbst vor Ort zu engagieren. Wir werden noch stärker werden.
Wir können und werden S21 stoppen. Wir werden Erfolg haben da wir, wie es der Tübinger Philosoph forderte, „aufrecht gehen“. Oder mit der Stuttgarter Losung:
OBEN BLEIBEN.
 
Dr. Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21, Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac. Wolf arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Sabine Leidig, MdB, verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag. Wolf verfasste das erste Buch zum Thema (Winfried Wolf, Stuttgart 21 – Hauptbahnhof im Untergrund?″, ISP, Köln 1995 und 1997). Aktuelle Veröffentlichungen: Winfried Wolf, Verkehr. Umwelt. Klima  - Die Globalisierung des Tempowahns; Wien 2007 und 2009; Winfried Wolf, Sieben Krisen – ein Crash, Wien 2009.
 
Die Schweiz ist nicht Stuttgart
Was beim Projekt Stuttgart 21 versäumt wurde, nämlich die Bürgern von dem Großprojekt zu überzeugen, ist der Schweiz mit dem Vorhaben am Gotthard von Anfang an geglückt.
Für den Schweizer Verkehrsminister Moritz Leuenberger zeigt der Durchstich, dass die direkte Demokratie der Schweizer sprichwörtlich „Berge versetzen kann“. Es seien die Stimmbürger gewesen, die die neue Linie einer Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene ermöglicht hätten, lobt der Minister das Volk.
(Aus dem Südkurier vom 17. Oktober 2010)
Von wegen „nichts geht mehr“. Fragt uns doch! Volksabstimmungen! Wir sind das Volk!



 
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