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Hintergrundinformationen:
Marsch
Wasserwerfer! Die
Augen – raus!
Dietrich Wagner, 66, Ingenieur im Ruhestand, versuchte bei
der Stuttgart 21 Demonstration Jugendlichen zu helfen, die vom
Wasserstrahl
hinweggefegt worden waren. Deshalb hatte er die Arme hochgerissen und
den
Polizisten gewunken, um ihnen zu bedeuten, sie sollten
aufhören. Dann traf ihn
der Wasserstrahl direkt ins Gesicht – so massiv, dass der
Rentner ohnmächtig
wurde. „Es fühlte sich an wie der Schlag von einem
Riesenboxer“ sagte er
später. Auf einem Auge bleibt er blind, auf dem anderen Auge
wird er nach zwei
weiteren Operationen hoffentlich Menschen grob erkennen können.
Bei der Räumung des Schlossgartens für das Bahnprojekt
Stuttgart 21 hatte die Polizei Wasserwerfer,
Reizgas und
Schlagstöcke eingesetzt. Im Katharinenhospital und in der
Charlottenklinik für
Augenheilkunde wurden danach 16 verletzte Demonstranten behandelt, vier
von
ihnen stationär.
Dazu schrieb Thomas Wüppesahl von der
„Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizistinnen und
Polizisten (Hamburger
Signal) e.V. in einer kaum veröffentlichten Pressemitteilung
u.a.:
„...Die unmittelbare
Verantwortung für diesen rechtswidrig durchgeführten
Polizeieinsatz liegt bei der Politik der Stadt Stuttgart und (mehr
noch) dem Innenministerium
des .Landes Baden-Württemberg. (…)
Wasserwerfer gegen 15-jährige
Schülerinnen, Theologinnen mit deren
Betgruppe wegzuspülen, einen jungen Mann mit dem Wasserwerfer
vom Baum zu
schießen, einem Bürger mit dem Wasserwerfer ein Auge
auszuschießen,
Pfefferspray unter anderem auf große Distanz gegen Menschen
einzusetzen, die auf Grund der großen Distanz und des lauten
Umfeldes die
dreimalige „Warnung“ (so sie überhaupt
ausgesprochen worden ist!) vor
Verwendung dieses Einsatzmittels gar nicht wahrnehmen konnten und so
weiter und
so fort...
„Stuttgart 21“ ist ein
weiteres Beispiel für einen in viel zu weiten
Teilen sich entkernenden Rechtsstaat. Die BürgerInnen in
Ba-Wü vertrauten
darauf, dass die Gremien, deren Mitglieder sie und ihre Interessen
repräsentieren
sollen, anständig arbeiten. (…)
Den Wenigsten
ist klar, dass fast überall unsichtbare Stempel wie
„BDI“ (Bundesverband der
Deutschen Industrie), „Handwerkskammer“ oder
irgendwelche Baufirmen
draufstehen. Nach wie vor wird die international von der BRD
ratifizierte
Abgeordnetenbestechung nicht in nationales Recht umgesetzt. Warum denn
wohl
nicht?!?
Klar:
Abgeordnete kann man kaufen, das Volk nicht. Und Abgeordnete wurden und
werden
gekauft. (...)“
Oben bleiben
mit dem Kopfbahnhof!
K21 - die
Alternative zum blinden Fortschritt.
Bringt mehr,
kostet weniger.
Kopfbahnhof 21 - das
bessere Konzept
Jahrelang
wurde behauptet, der Kopfbahnhof sei veraltet
und dem Verkehr der Zukunft nicht mehr gewachsen. Die
Leistungsfähigkeit des
Kopfbahnhofs wurde bewusst nicht näher untersucht. Alle
Verkehrsgutachten
vergleichen Stuttgart 21 nur mit dem bestehenden Kopfbahnhof ohne
Modernisierung. Nur so konnte Stuttgart 21 überhaupt als
vorteilhaft
dargestellt werden.
Die Alternative, das bessere Konzept ist der „Kopfbahnhof
21“. Der
bestehende Kopfbahnhof würde
modernisiert und mit einer Neuordnung der Gleise würde bei
gleichen Prämissen
eine größere Leistungsfähigkeit erreicht
als beim Durchgangsbahnhof.
Sowohl die Deutsche Bahn, das Eisenbahnbundesamt als auch
das Verkehrswissenschaftliche Institut der Universität
Stuttgart haben
bestätigt, dass Kopfbahnhof 21 spielend in der Lage ist, den
Verkehr der
Zukunft zu bewältigen. Auch bei dieser Alternative
stehen bisherige
Bahnflächen dem Städtebau zur Verfügung.
Die Kosten für die Modernisierung des Kopfbahnhofs
liegen deutlich unter
den Baukosten von Stuttgart 21.
Zwar müssen die bestehenden Anlagen saniert und erweitert
werden, aber dafür entfällt der Neubau dreier
Bahnhöfe – neben dem
Tunnelbahnhof der S-Bahnhof Mittnachtstraße und die
ICE-Filderbahnhof am
Flughafen. Für K21 wird nur ein Drittel der Tunnelstrecken
benötigt. Aus diesem
Grund geht das Büro Vieregg&Rössler davon
aus, dass K21 zu einem Viertel
bis einem Drittel der Kosten von S21 gebaut werden kann.
Keine Strecke wird
abgehängt
Schon heute verbinden täglich vier TGV-Zugpaare Stuttgart mit Paris.
Stuttgart 21 würde die Fahrzeit auf dieser Strecke um
nur 1 Minute
verkürzen!
Es verkehren täglich sieben ICE-Zugpaare direkt zwischen Stuttgart und Zürich.
(Derzeit wegen anhaltender technischer Probleme durch IC-Garnituren
ersetzt.)
Stuttgart 21 würde die Fahrzeit auf dieser Strecke um
5 Minuten verlängern!
Bei K 21 sollen die heute überlasteten Streckenabschnitte
von Bad Cannstatt sowie von der Gäubahn und durch den
Pragtunnel ausgebaut
werden. Zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof würden
zwei neue Gleise für
den Regionalverkehr gebaut, die unter dem Rosensteinpark liegen.
Dadurch
könnten die Engpässe auf den Zulaufstrecken beseitigt
werden. Zusätzlich sorgen
neue Brückenbauwerke dafür, dass ein- und ausfahrende
Züge sich nicht mehr
gegenseitig behindern.
Messe und
Flughafen werden
angebunden.
Vom Flughafen führen direkte Linien zur Universität
und zur Innenstadt, aber
auch zum Neckarstadion und nach Bad Cannstatt. Es gibt nur einen
Bahnhof am
Flughafen. Das erleichtert das Umsteigen zwischen S-Bahn,
Regionalverkehr und
ICE. Von Ulm, aber auch von Tübingen und Böblingen
kann der Flughafen ohne
Umsteigen erreicht werden.
Die Neubaustrecke
nach Ulm wird
durch einen Tunnel von Obertürkheim bis Denkendorf erreicht.
Diese Lösung ist
einfacher und kostengünstiger als der zehn Kilometer lange
Fildertunnel bei
Stuttgart 21. Der Abschnitt zwischen Bad Cannstatt und
Obertürkheim wird
6-gleisig auf dem vorhandenen Bahngelände ausgebaut.
Ein schnelleres Netz durch
integralen Taktfahrplan (ITF)
Bei Kopfbahnhof 21 bleiben die 16 Gleise im Hauptbahnhof
erhalten. Der Bahnhof kann so deutlich mehr Züge gleichzeitig
aufnehmen als der
Tunnelbahnhof mit seinen acht Gleisen. Dadurch können mehr
Umsteigebeziehungen
zwischen den Zügen hergestellt werden.
Der integrale
Taktfahrplan, das
Erfolgsrezept der Schweizer Bahnen für
mehr Verkehr auf der Schiene, kann nur
mit Kopfbahnhof 21 realisiert werden. Bei
K21
können die Züge länger im Bahnhof verweilen,
Verspätungen werden dadurch
gemildert und Fahrgäste können bequemer ein- und
aussteigen.
Nadelöhr: Bei Stuttgart 21 gibt es nur noch
8
Bahnsteiggleise statt bisher 16 beim Kopfbahnhof. Dies bedeutet, dass
bei
Stuttgart 21 die Züge nur noch 2 Minuten halten
dürfen.
Anschlusszüge können auf verspätete
Züge nicht mehr warten.
Der Hauptbahnhof bleibt
erhalten
Wie am Nordflügel bereits zu sehen: Die Planung von
Stuttgart 21 sieht unter anderem den Abriss der beiden
Seitenflügel des
Hauptbahnhofs vor. Die Fassadenlänge würde damit
halbiert. Werden sie hingegen,
wie bei K21, erhalten, bietet sich die einmalige Chance, an der
Nahtstelle von
Innenstadt und der heutigen Brachfläche hinter dem Bahnhof
(A1), die auch mit
dem modernisierten Kopfbahnhof bebaut werden kann, einen attraktiven
kulturellen Schwerpunkt-Bau einer gläsernen Bahnsteighalle mit
Tageslicht,
Galerie-Dependancen, Cafés, Restaurants,
Ausstellungsräume ... zu setzen und
eine lebendige Urbanität zu schaffen. In dem nach §12
Landesdenkmalgesetz
geschützten Kulturdenkmal schlummert ein ungeahntes Potential
für unsere Stadt.
Bessere Öko-Bilanz
bei Kopfbahnhof
Stuttgarts einzigartige Lage
im
Talkessel hat ihren Preis: Auch aufgrund der hohen
Bevölkerungsdichte müssen
die ökologischen
Folgen
ehrgeiziger Großprojekte stärker als andernorts
geprüft und abgewogen werden.
Um die Lebensqualität in der Stadt zu erhalten, muss
entsprechend sensibel mit
den natürlichen Schutzgütern umgegangen werden. Die
bei Stuttgart 21 vorgesehene
intensive Bebauung trägt zum Aufheizen
des Stadtklimas bei und behindert den
notwendigen
Luftaustausch. Durch die vielen Tunnelbauten bei Stuttgart 21
(insgesamt fast
70 km) kommt es zu Grundwasserabsenkungen
und zur Gefährdung
der
Mineralwasservorkommen.
Die Tieferlegung der Bahnanlagen
bedingt auch einen Verlust
von wertvollen Biotopflächen und
einen Kahlschlag im
Stuttgarter Schlossgarten. Beim Alternativkonzept Kopfbahnhof
21 entfallen
diese Eingriffe ganz oder treten nur in sehr geringem Umfang auf. Dies
wird vom
Regierungspräsidium Stuttgart, vom Eisenbahnbundesamt und vom
Verwaltungsgerichtshof Mannheim bestätigt.
Die Reisenden
stehen im
Mittelpunkt
Während bei S21 der Bahnhof unter der Erde versteckt wird
und die Durchreisenden nach kilometerlanger Fahrt durch Tunnels von
Stuttgart
nur das Bild eines U-Bahnhofs zu sehen bekommen, empfängt K21
den Reisenden mit
einer repräsentativen oberirdischen, lichtdurchfluteten
Empfangshalle und
großzügigen Bahnsteigen, die ebenerdig erreichbar
sind.
K21 bietet eine bessere Zugänglichkeit
durch ebenerdige Zugangs- und Umsteigemöglichkeiten und
breitere Bahnsteige,
während diese bei S21 empfindliche Engstellen aufweisen („Nadelöhr!“)
und ein barrierefreier Zugang nur mit Aufzügen realisiert
werden kann, die nur eine
sehr begrenzte Transportkapazität haben. Dies ist besonders in
Stuttgart
wichtig, da hier ein großer Fahrgastwechsel stattfindet.
Auch der Umstieg auf andere Verkehrsmittel wird mit S21
schlechter. Während bei K21 der
zentrale
Omnibusbahnhof erhalten wird, muss dieser mit S21 nach Vaihingen
verlagert
werden und auch die beliebte Vorfahrt am Nordeingang muss zumindest
während der
Bauzeit entfallen.
Für den Fahrgast ist es auch von Vorteil, wenn die
Züge
nicht wie bei S21 nur zwei Minuten (ICEs) bzw.
nur eine Minute
(Nahverkehrszüge) halten sondern
mindestens 4 Minuten halten, so
dass Reisende bequem aus- und einsteigen können.
Zusätzlich gibt es die
Möglichkeit, Züge am Bahnsteig bereitzustellen, was
wegen der geringen Anzahl
von nur noch 8 Gleisen bei S21 ohne Möglichkeit einer
Bahnsteigwende dort in
der Regel nicht möglich ist. Auch Sonderzüge oder
Nachtzüge müssen immer im
Betriebsbahnhof Untertürkheim beginnen und enden.
Durch die doppelte Anzahl an Bahnsteigen können bei K21
Anschlüsse besser abgewartet werden, da die Züge den
nachfolgenden nicht im Weg
stehen. Bei S21 werden dagegen bei Verspätungen kurzfristig
Gleisverlegungen
notwendig, was für die Fahrgäste hektisches
Treppensteigen mit Gepäck zum
Nachbargleis bedeutet.
Die Anbindung des Bahnhofs über unterirdische
Zulaufstrecken ist störungsanfällig und die heute
öfters praktizierte
Umleitungsmöglichkeit der S-Bahn über
Gäubahn nach Vaihingen ist dann nicht
mehr möglich. Zudem entfallen die bei den Fahrgästen
z. B. aus dem Strohgäu und
aus Albstadt beliebten Direktverbindungen nach Stuttgart, da keine
Dieselzüge
in den Tiefbahnhof einfahren dürfen.
Schließlich empfindet der Reisende einen oberirdischen
Bahnhof grundsätzlich als sicherer, als einen unterirdischen,
weil dort bei
Bränden, wie sie gelegentlich schon vorgekommen sind (siehe z.
B. Trafobrand
Hanau, TGV-Brand) der Rauch ungehindert nach oben abziehen kann,
während im
Tunnellabyrinth schnell alles verqualmt ist.
Mehr dazu:www.kopfbahnhof-21.de
Aufrecht gehen! Oben bleiben!
Aus Rede von
Winfried Wolf am 3. September 2010 auf der Stuttgarter
Demonstration
(...)
Es gibt in der bundesdeutschen Medienwelt ein Rätselraten
darüber, was denn in Stuttgart abgeht, was in die Menschen
hier gefahren sei.
Warum im Ländle der Kehrwoche jetzt die Wochen-Demo am Montag
und nun auch noch
die Großdemo am Freitag so wichtig geworden sei. Ich finde,
das hat alles
herzlich wenig mit dem Menschenschlag und mit Mentalitäten zu
tun.
Es geht doch schlicht und einfach um die Frage: WEM GEHÖRT
DIE STADT.
Und um die verlogenen und zynischen Antworten, die wir auf diese
berechtigte
Frage bekommen.
(...)
Eigentlich ist hier die Frage „Wem gehört die
Stadt“ leicht zu beantworten.
„Demos“ heißt das Volk;
„kratos“ die Herrschaft: Unser politisches System
nennt
sich Volksherrschaft oder gegebenenfalls Herrschaft der Mehrheit. Zwei
Drittel
in dieser Stadt sind gegen Stuttgart21. Die Mehrheit im Bundesland
Baden-Württemberg ist gegen das Projekt. Das sind recht
überschaubare
Verhältnisse. Und sie werden von dieser
Schuster-Drexler-Mappus-Show ja auch
eingestanden. Warum bloß verweigern sie seit drei Jahren
einen Bürgerentscheid
zu dem Thema? Deutlicher kann man nicht dokumentieren, dass man
demokratische
Prinzipien mit den Füßen tritt.
(…) Grube, Ramsauer, Drexler, Schuster und Mappus
argumentieren: Die Bevölkerung rafft es nicht. Unsere
Argumente sind an
sich ausgezeichnet., sie dringen bisher nur nicht ausreichend durch.
Wir
schaffen in Stuttgart den Anschluss an die Moderne. All die Lapptopper,
die
Handy-men, die Eurokraten und die Bürokraten, die
täglich auf der Magistrale
Paris -Stuttgart -Bratislava -Budapest pendeln, wollen in Zukunft
partout per
Eisenbahn und Maulwürfen gleich unter Stuttgart hindurchfahren
und
gegebenenfalls einen kurzen Blick durch Glupschaugen hoch auf den
Daimler-Stern
auf dem Bonatz-Bau werfen.
GEHT’s NOCH? Wir alle wissen: Das ist hanebüchen.
Sollte es Stuttgart21 je geben, dann werden keine zehn
Leute am Tag von Paris über Stuttgart nach Budapest mit der
Eisenbahn fahren.
Doch es werden Tag für Tag viele Zehntausende sein,
die hier vor Ort im
S-Bahn- und im Nahverkehr Streß mit dem neuen
Nadelöhr im Keller der Stadt
haben.
Apropos gute Argumente:
Das gilt ja auch für die Neubaustrecke Wendlingen –
Ulm, ohne die S21 sinnlos
wäre und wogegen wir gute und wofür die
S21-Befürworter schlechte Argumente
haben.
- Ja, die Geislinger Steig´ ist steil. Doch die Neubaustrecke wird
noch steiler –
anstelle von 2,5 Prozent werden es 3,1 Prozent Steigung sein.
- Ja,, 250 Meter Höhendifferenz, die bei der Fahrt über die
Schwäbische Alb zu
bewältigen sind, sind verdammt viel. Doch die Neubaustrecke
will deutlich höher
hinaus und eine Höhendifferenz von 450 Metern
bewältigen. Das sind 80
Prozent mehr!
- Ja, Güterzüge quälen sich auf der heutigen
Strecke. Doch auf der Neubaustrecke kann es keine
herkömmlichen Güterzüge
mit 1500 Tonnen Gewicht und einer Lok mehr geben. Das ist
dann schlicht
nicht mehr zu bewältigten. Und um das zu vertuschen, haben die
Befürworter von
S21 einfach neue Züge, die sogenannten leichten
Kaufmannszüge, erfunden. Züge
die es nicht gibt und die es nicht geben kann, da der Trend in Richtung
immer
längerer und schwererer Güterzüge geht und
da es ja eine andere
Güterverkehrsroute Richtung München gibt, die
über Donauwörth und Nördlingen.
Selbst die behauptete Zeitersparnis, die es bei der
Neubaustrecke geben soll, ist manipuliert. 1995 dauerte die Zugfahrt
zwischen
Stuttgart und München – laut Fahrplan, wohlgemerkt
– 121 Minuten. Heute sind es
144 Minuten oder 23 Minuten mehr. Das soll jetzt mit einer
Neubaustrecke wieder
hereingeholt und darüber hinaus die Strecke noch etwas
verkürzt werden.
Das ist doch absurd. Da fragen wir doch die selbsternannten Freunde der
Schiene: Warum habt ihr bloß die Infrastruktur 15 Jahre lang
so verlottern
lassen? Warum ist es nicht das allererste Anliegen, die bestehende
Strecke
wieder in Schuss zu bringen und dann durch kleinteilige, deutlich
preiswertere
Verbesserungen diese Verbindung zu ertüchtigen und meinetwegen
auch noch um ein
paar Minuten über den Stand von 1995 hinaus zeitlich zu
verkürzen?
(…)
Wirtschaftlichkeit. Sind die Milliarden für S21 und
Neubaustrecke gut investiertes Geld? Oder auch: Wer kann
„d´Sach gut
zammehalte“?
Tatsachen sind doch
- Die
Kosten für S21und die Neubaustrecke explodieren, noch bevor der Bau
begonnen hat
- Allein
seit 2007 erhöhten sich die offiziellen Kosten für
beide Projekte zusammen von
4,8 auf 7 Milliarden Euro.
- Die
jüngsten Einsparungen, mit denen S21 als wirtschaftlich
schöngerechnet wird -
also dünnere Tunnelwände, weniger Querstollen als
Rettungsgänge, der Einsatz
von 3900 Bauarbeitern aus Osteuropa, zusammengefasst in einer eigenen
Containerstadt – sind extrem riskant und baurechtlich unter
Umständen schlicht
kriminell.
Es ist hier auch zu fragen: Für was, für welche
Zwecke
wird denn dieses Geld eingesetzt? Oder: Wie könnte das
anderweitig sinnvoll
eingesetzt werden? Aktuell werden diese Milliarden eingesetzt gegen die
Fahrgäste, gegen den Schienenvekehr, gegen die Stadt, die
verwüstet wird, mit
erheblichen Gefahren für die Mineralquellen und die Bebauung
– weswegen ja auch
der wichtigste S21-Preisträger, Frei Otto, aus dem Projekt
ausstieg und vor
kaum beherrschbaren Gefahren warnt.
Nun wissen wir: Bei einer Realisierung unserer
Alternativen würden Bund, Land und Stadt zwischen sechs und
acht Milliarden
Euro einsparen.
Ein Vergleich: Am 1. September beschloss das Kabinett
Merkel-Westerwelle ein
Sparpaket. Teil desselben sind 30 Milliarden Euro an Einsparungen bei
den
sozial Schwachen, bei Hartz-IV-Empfängern, bei allein
erziehenden Müttern.
Allein das genannte Einsparpotential bei S21 und der Neubaustrecke
macht ein
Fünftel bis ein Drittel des gesamten asozialen
Spar-Wut-Volumens aus.
Es ist doch politisch aufschlussreich, wie beim Sparprogramm auf dem
Rücken von
Menschen, für die jeder Euro wichtig ist, gespart wird,
während gleichzeitig
Milliarden Euro dafür ausgegeben werden, dass
Fahrgäste geschädigt, eine Stadt
geschunden und ein Baudenkmal zerbaggert wird.
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
Wenn es denn so ist,
- dass wir die Mehrheit sind
- dass wir die besseren Argumente haben
- dass wir d´Sach zamme halte können
dann stellt sich doch die Frage: Warum bloß kann
sich
bisher diese Grube-Schuster-Drexler-Mappus-Show durchsetzen?
Natürlich fällt da einem die eine und andere Antwort
ein. Da gibt es Leute, die
wollen sich ein Denkmal setzen. Da gibt es Leute, die sind
gekauft oder die
kaufen sich ein.
Doch wir sollten auch eine große Linie im Auge behalten,
die letzten Endes in erheblichem Maß all diese Pläne
bestimmt. Es geht seit
einem Dreivierteljahrhundert um das Ziel der autogerechten Stadt, der
auf Auto
und schnellen Kommerz zugerichteten Stadt. Es ist keine Stadt
für die
Menschen. Keine Stadt für unsere Kinder. Keine Stadt, in der
Kultur,
Lebensfreude und Erholung ihren Stellenwert, die großen
Plätze, den
öffentlichen Raum bestimmen.
Nein – PLATZ DA: Da wird Platz geraubt, werden
Plätze und öffentlicher Raum
zweckentfremdet für Straßen, für Banken,
für Kommerz.
Es ist doch kein Zufall, dass von vier Bahnchefs drei,
nämlich Heinz Dürr, Hartmut Mehdorn und
Rüdiger Grube aus dem Hause Daimler
gestellt wurden. Dass sie alle drei das Projekt Stuttgart21
vorantrieben. Und
dass es dann da einen Bahnchef namens Johannes Ludewig gab, der nicht
so eng an
ein Autoimperium angebunden war. Der ließ Stuttgart21
durchrechnen. Der stellte
fest, dass sich das nicht rechnet. Der beschloss den Ausstieg aus dem
Projekt.
Und der war dann weg vom Bahnchef-Fenster. Der Autokanzler holte den
nächsten
Daimler-Mann, Mehdorn.
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
lasst mich das mit der „großen Linie“,
die hinter S21
steht, noch genauer belegen. Im Jahr 1993 erschien im Münchner
Wochenmagazin
„Focus“ - exakt in Heft 43/93 – ein
Artikel mit der Überschrift: „Das
Mega-Milliarden-Ding“. Es ging in dem Beitrag allein um die
sogenannten 21er
Projekte, mit denen Schienenverkehr unter die Erde verlegt werden
sollte. Zum
Auftakt des Artikels wurde ein Blick auf das „Vorbild
USA“ und das „Beispiel
New York“ geworfen. Es gab zwei Fotos im Stil von
„vorher-nachher“. Das erste
zeigte New York City in den 1920er Jahren. Ein Bild mit breit
gefächerten
Schienensträngen und einem imposanten Kopfbahnhof. Penn
Central Station – der
damals größte Bahnhof der Welt. Daneben ein Foto von
derselben Stelle heute:
dichte Bebauung; Hochhäuser. Im Text hieß es:
„Die New Yorker (...) überbauten
diese hässliche Gleisschneise samt Bahnhof mit
Hochhäusern und Straßen.“ Dass
in der Folge der Schienenverkehr in den USA und in New York auf weniger
als ein
Zehntel reduziert wurde, verschwieg „Focus“. Aber
das Blatt war ehrlich genug,
die grundsätzliche
Stoßrichtung
der 21er Projekte offen zu legen.
Dort hieß es: „Heinz Dürr, der
Führer der zukünftigen
Deutschen Bahn AG (...) gibt sich entschlossen, mit Bahnhöfen
und Brachland
gutes Geld zu verdienen. (...) Für das Geschäft mit
Immobilien wird im Vorstand
der neuen DB AG eigens ein neues Ressort geschaffen.“ Die
gewissermaßen
focussierte Bilanz: „Das 41.000 Kilometer lange Schienennetz
ist als Immobilie
pures Gold. Die Gleisschneisen der Städte können
raffiniert umbaut werden.“
Darum und nur darum geht es: Um Immobilien-Deals. Um
gewaltige Bauaufträge. Um die Privatisierung von
Volksvermögen. Um die
Zerstörung des klimaverträglichen Bahnverkehrs
zugunsten des Straßen- und
Luftverkehrs.
Liebe Bürgerinnen und Bürger,
uns wird in diesen Wochen und Tagen immer wieder gesagt,
da sei doch alles eingetütet, es gebe eben
„unumkehrbare Beschlüsse“. Das soll
uns auch Tag für Tag eingehämmert, mit Bagger- und
Brachialgewalt demonstriert
werden.
Zunächst einmal gilt bereits rein formal: Bei
Stuttgart21 und der Neubaustrecke wurden Beschlüsse wider Treu
und Glauben
gefasst. Es erfüllt den Tatbestand der Sittenwidrigkeit, wenn
Entscheidungen
zustande kommen, bei denen die Entscheider Gutachten nicht kennen, von
einem
Güterverkehr ausgehen, den es nicht geben kann und vom
Ausstieg des wichtigsten
Architekten aus dem Projekts - Frei Otto – und seinen
Warnrufen nicht
informiert wurden.
Es geht aber nicht primär um die juristische Seite.
Es
geht um Politik und um
Grundsätze
von Demokratie.
Das Atomkraftwerk in Whyl im Badischen war auch
„unumkehrbar beschlossen“. Es wurde in den 1970er
Jahren unter anderem von der
bäuerlichen Bevölkerung vor Ort gestoppt.
Die Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf
war „unumkehrbar beschlossen“ und bereits in Bau
befindlich. Das Projekt wurde
von den Menschen vor Ort und von einer breiten, bundesweiten und
jahrelangen
Bewegung gestoppt.
Der Schnelle Brüter in Kalkar war nicht nur
„unumkehrbar
beschlossen“. Der war sogar weitgehend fertig gebaut. Doch
eine breite
bundesweite Bewegung stoppte den Weiterbau und verhinderte
die
Inbetriebnahme.
Und, liebe Bürgerinnen und Bürger, viele von uns
wissen
noch, was es am alten „Tag der deutschen Einheit“,
am 17. Juni 1953 in der DDR
gab.
(Zwischenrufe: „Einen Volksaufstand!“)
Ja, es gab Massendemos. Aber vorab gab es eine
Normerhöhung, vor allem für die Bauarbeiter. Mehr
Arbeit, weniger Geld. Dann
gab es Streiks und Massendemonstrationen. Die wurden zum Teil blutig
unterdrückt. ABER: Die Normerhöhung wurde
zurückgenommen. Die in Berlin
Herrschenden hatten Angst vor der demokratischen Macht der Menschen auf
der
Straße und auf den Baustellen. Und als das
SED-Politbüro erklärte, die
Streikenden hätten „das Vertrauen der
Regierung“ verloren, sie müssten sich
dieses „Vertrauen neu erarbeiten“, da schrieb ein
aus Augsburg stammender, in
Berlin lebender Mann namens Bert Brecht die berühmten Zeilen:
Wäre es da /
Nicht doch einfacher, die Regierung / Löste das Volk auf und /
Wählte ein
anderes?
Das ist jetzt 57 Jahre her. Und brandaktuell. Uns
erklärt dieser Tage das S21-Politbüro in Gestalt der
Herren Grube, Schuster,
Drexler, Mappus und Ramsauer: Das Volk versteht uns nicht. Wir
haben
Kommunikationsfehler gemacht. Wir werden die Vertrauensbasis
wiederherstellen.
Wir laden alle ein, an einem runden Tisch zusammenzukommen.
Dazu sagen wir: GEHT’s NOCH?
Wir haben nämlich gut
verstanden.
Wir sind mündige
Bürgerinnen und
Bürger. Wir sind
selbstverständlich zu jeder Zeit gesprächsbereit
–
bei Einstellung des Abrisses und bei einer offenen Tagesordnung unter
Einschluss der Punkte „Aus für S21“ und
„Alternativen zu S21 – das Projekt K21
steht zur Debatte“.
Liebe Bürgerinnen, liebe Bürger,
ich wiederhole am Schluss was ich eingangs sagte:
Was in Stuttgart passiert ist beispielhaft für das ganze Land.
Das schafft sehr
vielen Menschen neuen Mut, sich selbst vor Ort zu engagieren. Wir
werden noch
stärker werden.
Wir können und werden S21 stoppen. Wir werden Erfolg haben da
wir, wie es der
Tübinger Philosoph forderte, „aufrecht
gehen“. Oder mit der Stuttgarter Losung:
OBEN
BLEIBEN.
Dr. Winfried Wolf ist Chefredakteur von Lunapark21,
Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von Attac. Wolf arbeitet als
wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Sabine
Leidig, MdB,
verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN im Bundestag. Wolf verfasste
das erste
Buch zum Thema (Winfried Wolf, Stuttgart 21 – Hauptbahnhof im
Untergrund?″,
ISP, Köln 1995 und 1997). Aktuelle
Veröffentlichungen: Winfried Wolf, Verkehr.
Umwelt. Klima - Die Globalisierung des Tempowahns; Wien 2007
und 2009;
Winfried Wolf, Sieben Krisen – ein Crash, Wien 2009.
Die Schweiz ist nicht
Stuttgart
Was beim Projekt Stuttgart 21 versäumt
wurde, nämlich die Bürgern von
dem Großprojekt zu überzeugen, ist der Schweiz mit
dem Vorhaben am Gotthard von
Anfang an geglückt.
Für den Schweizer
Verkehrsminister Moritz Leuenberger zeigt der Durchstich, dass die
direkte
Demokratie der Schweizer sprichwörtlich „Berge
versetzen kann“. Es seien die
Stimmbürger gewesen, die die neue Linie einer Verlagerung des
Schwerverkehrs
auf die Schiene ermöglicht hätten, lobt der Minister
das Volk.
(Aus dem Südkurier vom 17.
Oktober 2010)
Von wegen „nichts geht
mehr“. Fragt uns doch! Volksabstimmungen! Wir sind das Volk!
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