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Sonderdruck mit der
Kurzfassung eines Artikels aus dem Stern Nr. 36 vom 30.8.2007
Hände weg von der Bahn!
Hartmut Mehdorn will 49 Prozent der Bahn an der Börse verhökern.
Für mögliche Käufer, von
Gasprom bis hin zu arabischen Investoren, wäre das ein Schnäppchen, für die
Bürger ein Desaster. Demnächst entscheidet der Bundestag. Lesen Sie Auszüge
eines Plädoyers von stern-Autor Arno Luik.
Da ist etwas - je nach Schätzung - zwischen 100 und 200 Milliarden Euro
wert.*
Knapp die Hälfte von diesem
teuren Ding soll verkauft werden. Der Besitzer rechnet mit einem Verkaufspreis
von vier bis acht Milliarden Euro. Und ist sehr, sehr glücklich. Verrückt?
Nein, das ist hohe Politik, im konkreten Fall nennt man das: Privatisierung der
Bahn.
Die Bahn wird verramscht
Die Bahn ist ein Goldschatz und zugleich das letzte, richtig große Stück
Gemeineigentum in diesem Land. Sie ist der größte Grundbesitzer in Deutschland mit
besten, fast unbezahlbaren Lagen in den Städten. Wenn man ein paar Gleise
rausreißt und verkauft, was dann frei wird, rieselt das Geld: Unter den Gleisen
liegt der Schotter. Privatisierung lautet das Zauberwort, mit dem dieser
Goldschatz an Wenige verteilt werden soll - an der Börse.
Für die künftigen Investoren wäre das ein Schnäppchen. Geht Bahnchef Hartmut
Mehdorns Rechnung auf, bekommen die neuen Besitzer die Bahn fast geschenkt.
Jenes wertvolle Stück Gemeineigentum, das Millionen von Steuerzahlern, fünf
Generationen, geschaffen haben, soll verschleudert werden, verscherbelt.
Erstaunlich, dass dieser Coup überhaupt möglich ist. Aber die allermeisten
Abgeordneten nicken ab und schauen zu, wie der Konzern verramscht wird.
Es geht um Enteignung von Volkseigentum
Um die Bahn attraktiv für Käufer zu machen, rechnet Mehdorn die Bahn
spottbillig. Der Konzern, den er an die Börse bringen will, ist in seinen
Augen grotesk wenig wert: gerade mal 18 Milliarden Euro, das gesamte
Unternehmen. Die Bahnhöfe, der Grundbesitz, das rollende Material, die
bahneigenen Kraftwerke. 18 Milliarden Euro? Experten monieren, dass sowohl
Anlagevermögen (Züge, Schienen, Bahnhöfe, Elektrizität) als auch Abschreibungen
viel zu niedrig ausgewiesen seien.
Was in Sachen Bahn-Privatisierung abläuft, ist ein Irrsinn
In einer abenteuerlichen
Konstruktion bleibt für 15 Jahre der Bund juristischer Eigentümer der Trassen
und Bahnhöfe, aber die teilprivatisierte Bahn AG darf diese "betreiben und
bilanzieren", sie hat die wirtschaftliche Hoheit. Gewinne aus
Immobilienverkäufen teilen sich dann der Bund und die neuen Eigentümer.
Wer
glaubt, dass es bei der Bahn-Privatisierung um den
Kunden und seine Wünsche geht, ist naiv - es geht um Enteignung von
Volkseigentum.
Das Volk hat durchaus etwas gegen dieses Vorgehen. Umfragen von Emnid und Forsa
zeigen, dass zwei Drittel der Bürger keine Bahnprivatisierung wünschen. Die
Bahn ist ein öffentliches Gut. Wie etwa die Polizei, die Schulen, die
Schiffahrtsstraßen. Käme jemand auf die Idee, den Rhein zu privatisieren? Nein.
Aber es ist faszinierend, wie konsequent die Privatisierer ihre Tat unter den Augen der Bundesbürger umsetzen. Kühl,
lächelnd, stur, immun gegen Einwände.
Bahn ist nicht börsenfähig
Dabei ist die Bahn betriebswirtschaftlich, rein nach den Gesetzen des Kapitals,
gar nicht börsenfähig. Wer das erklären will, muss Wörter benutzen, die
schwierig sind, zu schwierig oft für Abgeordnete, die nach Beschlussvorlagen
entscheiden müssen und nicht viel Zeit haben, sich einzuarbeiten.
Kapitalumschlag. Betriebskapital. Dividendenrendite.
Umsatzrendite.
Börsenfähig ist ein
Unternehmen, wenn es Kapitalrenditen über den Kapitalkosten, also etwa 10
Prozent Verzinsung des Betriebsvermögens, erzielt. Das investierte Kapital der Bahn ist aber derartig
hoch, dass eine marktübliche Verzinsung unmöglich ist. Im
Klartext: nicht börsenfähig.
Und wie sieht die Zukunft aus?
Gewinne, die für
Investoren interessant sind, macht nur, wer die Bahn wie einen Steinbruch
ausbeutet. Also alles, was die
Rendite gefährdet, abkoppelt - Züge auf die Schwäbische
Alb, ins bayerische Hinterland, durchs weite Mecklenburg (es sei denn, die
Länder subventionieren das kräftig). Längst hat man sich vom grundgesetzlichen
Auftrag, die Bürger in der Fläche mit einem Transportmittel zu versorgen,
verabschiedet.
Lässt sich der große Eisenbahnraub noch stoppen?
Ja, klar. Zum Beispiel so: Mehdorn
entlassen.
Lässt sich die
Privatisierung noch verhindern?
Ja, natürlich. Noch ist sie kein Gesetz, noch ist sie nicht durch den
Bundestag. (...) Oder vielleicht stoppt Bundespräsident Horst Köhler das
Gesetz, weil es nationale Güter gibt, die man einfach nicht verkauft.
http://www.stern.de/politik/deutschland/524115.html?nv=heads
*) Es gibt unterschiedliche
Bewertungen. 183 = 13 ist die Formel für die Verschleuderung von öffentlichem
Eigentum", sagte Stephanie Handtmann vom globalisierungskritischen
Netzwerk Attac, einem der 13 Träger des Bündnisses "Bahn für Alle".
Die Deutsche Bahn habe laut amtlicher Statistik ein Vermögen von 183 Milliarden
Euro. Die Hälfte der Anteile werde nach Experten-Schätzungen nur um die 6,5
Milliarden Euro einbringen.
Mehr Informationen:
www.deinebahn.de und/oder www.bahn-für-alle.de
Oktober 2007
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